Die Erlösung mit Gerhard Polt

Interview von Lukas Kubina 

Lesedauer: 5 min. 

Gerhard Polt wird nicht selten als bayerisches Urvieh bezeichnet. Als ein solches kennt sich der Künstler selbstverständlich mit der erlösenden Wirkung von Humor, landestypischen Gnadenbringern und dem Fegefeuer aus. Bevor er uns in “Die Hölle”  an die Apokalypse erinnert, sprach er zwei Takte mit Apollon. Grüß Gott.

Gerhard Polt:  Grüß Gott. Ja, der Herr Well hat mir das schon gesagt. Der Well, ge. Er hat mir gesagt, Sie wollen mir irgendeine Frage stellen über Erlösung oder so ähnlich. Stimmt des? 

Lukas Kubina:  Ja, das ist richtig, Herr Polt. Also: Erlösung – what is it?

Gerhard Polt:  Gute Frage. Ja, also zum Well hab ich gesagt, wenn ich Insekten im Hause halte, dann wäre es der Kammerjäger, der wäre der Erlöser. Der würde mir ja die Kakerlaken aus dem Haus bringen. Der Erlöser. Das ist ja so ein Begriff. 

Lukas Kubina: Vielleicht können Sie ja den bayerischen Heilsbringern was abgewinnen? Wie schaut’s mit Markus Söder aus? Oder Edmund Stoiber, vermissen Sie ihn?

Gerhard Polt: Nein. Schauen Sie. Da sind Sie schon bei den Politikern als Erlöser. Deswegen sag ich ja: Der Kammerjäger. Es gibt ja immer Leute, die eine Erlösung versprechen, nicht? Weiss der Deife von was. Von der Arthritis, vom Durchfall, von der Verstopfung – die Frage nach Erlösung ist sehr weitläufig. Wenn Sie auf die Politik abzielen, dann wissen wir ja alle, dass es in der Geschichte X-Erlöser gegeben hat. Die Frage ist, ob die wirklich immer gesucht worden sind. Ich persönlich habe nie einen Erlöser gesucht oder gebraucht. 

Lukas Kubina: Und wie steht's um die Beichte? Ist sie nicht ein feines Prinzip, eine Art Instant Erleichterung?

Gerhard Polt: Ja mei. Ich bin in Altötting groß geworden. Als Kind musste ich zur Beichte gehen. Und wusste gar nicht, was ich beichten soll. Man bekam damals einen Beichtspiegel, so hieß das Ding, wo die Sünden schon aufgeschrieben waren. Das Sündenformular war schon vorgedruckt. Du sollst nicht Unkeuschheit treiben, nicht stehlen oder lügen. Solche Sachen. Der ganze Kodex. Da war alles da. 

Lukas Kubina: Das Konzept Freibier wird hierzulande auch gern als Mittel eingesetzt..

Gerhard Polt: Wissen Sie, in der Nachkriegszeit, fanden es viele Menschen wirklich unheimlich toll, wenn man eine Freibiermarke bekam. Logisch. Noch größer war die Bezahlung mit einer Hendlmarke, wenn man eine Marke für ein halbes Huhn bekam. Der Besitzer einer Hendlmarke, der Anwärter auf ein Hendl, der wurde unheimlich beneidet. Des war was Großartiges. Fast ein Lottogewinn. 

Lukas Kubina : Ist Humor denn erlösend?

Gerhard Polt:  Das Thema ist interessant. Aber unbestimmt und unendlich. Ein Universum. Mir wurde ein Protokoll der Witze gezeigt, die sich Menschen in Theresienstadt erzählt haben, um sich aus der Entsetzlichkeit ihrer Situation zu befreien. Nur um sich abzulenken. Verstehen Sie? Oder die Flüsterwitze. Am Burgtheater kam einer daher und hat mir Witze gezeigt, für die Leute hingerichtet wurden. Wegen Defätismus. Weil die Nazis das als Blasphemie betrachtet haben. Wissen Sie, Humor kann Selbstschutz sein. Auch ein Kitt in der Gesellschaft. Oder um irgendwas aufzubrechen. Sollte er da sein. Aber er ist ja nicht einfach da. Humor ist immer nur da, wenn er stattfindet. 

Lukas Kubina: Wie die Erlösung. Nach 40 Jahren Bayer-Dasein, kann ich sagen, dass das Unabänderliche der CSU ohne Ihren Humor nicht zu ertragen gewesen wäre.

Gerhard Polt:  Ja... In Bayern habe ich auch nur zwei Leute aus der SPD erlebt. (Polt lacht). Ich bin in einer unendlich langen CSU Ägide alt geworden. Wie hat der Achternbusch so schön gesagt: Man hat keine Chance, aber wir nehmen sie wahr. 

Lukas Kubina:  Zu Ihrem Stück “Die Hölle”, das Sie uns freundlicherweise für dieses Dossier zur Verfügung stellen, eine letzte Frage: Wie dringend braucht es die Apokalypse?

Gerhard Polt:  Mit dem Abhandenkommen des Katholischen verblasst die Hölle. In einem theologischen Gespräch habe ich gehört, man müsse die Hölle heutzutage ganz anders sehen. Ich war ganz erstaunt. Es hätte ja nichts mehr mit dieser Hieronymus Bosch Hölle zu tun, wo man praktisch frittiert wird oder durch Schwerter die Arme verliert oder überhaupt zerhackt wird. Die Hölle von heute sei eine größtmögliche Entfernung von Gott. Man sitzt also nicht mehr am Nebentisch. Sondern ganz weit hinten am Katzentisch. Und das ist dann die Hölle. Da hab ich mir gedacht: Na ja, wenn's so ist, dann schreckt die natürlich nichts mehr ab. Dann hindert die nichts mehr. 

Wie gefällt Ihnen der Artikel?

150 Reaktionen

 Dieser Artikel ist thematisch an die Neuproduktion Lohengrin der Bayerischen Staatsoper angelehnt.