Wenn es um Machtdarstellung in der amerikanischen Architektur geht, muss man oft schmunzeln. Besonders amüsant ist, dass in einem Land, das so gern mit seiner Verfassungsfreiheit und (Schein-)Demokratie prahlt, die wohlhabendsten Bürger:innen dennoch den Drang verspüren, mit ihren Häusern das genaue Gegenteil darzustellen. Während die amerikanischen Villen des Goldenen Zeitalters im späten 19. Jahrhundert die Kennzeichen des Feudalismus (insbesondere der Tudor- und Neogotik) übernommen haben, offenbaren ihre Nachfolger aus der Reagan-Ära, die sogenannten McMansions, eine viel grausamere Wahrheit über die amerikanischen Oberschichten: Sie haben keinen Geschmack.

Ein Anwesen wie das Biltmore des Raubritters Cornelius Vanderbilt könnte man wohl als eine Art nostalgische feudale Wunscherfüllung betrachten. (Die Tage von Versailles und dergleichen sind zwar vorbei, aber zum Glück können sie durch die Machenschaften des unverfälschten Handels wiederbelebt werden.) Die McMansions kommen nicht derart subtil daher. Das liegt daran, dass sie nicht nur von unfassbar reichen Leuten erbaut werden, sondern von den obersten zehn Prozent (wie Ärzt:innen und Anwält:innen) sowie von Bauträgern mit einer Klientel aus ambitionierten Newcomer:innen. Was diese heterogene Gruppe als Sinnbild architektonischer Macht betrachtet, deckt eine breite ästhetische Vielfalt ab.

Hinzu kommt, dass die Entwicklung immer billigerer, massenproduzierter Baumaterialien der Architektur jegliche Kunstfertigkeit geraubt hat und einen weitgefächerten Katalog unterschiedlicher stilistischer Verzierungen, Ornamente und Ausstattungen ermöglicht hat. Alles so schön praktisch produziert, aus Styropor oder Plastik. Das architektonische Endergebnis ist Pastiche. Man muss dabei nicht mehr komplette Designs aus ferner Vergangenheit kopieren, sondern kann nun nach Herzenslust kombinieren: Korinthische Säulen stützen popelige Giebel, palladianische Fenster können nun in einer Reihe stehen, anstatt nur als einzelner Blickfänger zu fungieren, Colonial Revival geht Hand in Hand mit Neoklassizismus. Manche Häuser sind so individuell gestaltet – zweistöckige Eingangshallen ohne Oberlicht oder Kronleuchter, die wie ein schwarzes Loch ihre Gäste empfangen, gewölbte Dächer, Fenster in mannigfaltigen Formen –, dass man sie nur, mit beißender Höflichkeit, als »neoeklektisch« beschreiben kann.

 

Der Zweck bleibt aber der gleiche: Man will Reichtum durch Architektur demonstrieren. Denn in den USA bedeutet Geld: Macht. Theoretisch lässt sich eine McMansion am besten als alltägliche Erweiterung der Postmoderne verstehen, eine Bewegung, die Architektur als ein System von Kennzeichen und Symbolen betrachtete. Hohepriester der postmodernen Architektur wie Robert Venturi oder Michael Graves setzten diese Symbole so zusammen, dass sie manchmal kitschig, clever und selbstironisch wirkten, oder sie gestalteten mit Bezügen zu regionalen Besonderheiten und bestimmten Gebäuden. Postmoderne Bauten sind fast immer ein Neuentwurf des Alten unter Einsatz neuer Technologien und Materialien.

Auch ohne auf die Theorien des Sprachwissenschaftlers Ferdinand de Saussure zurückzugreifen, teilen die Erbauer:innen der McMansions seine Vorstellung von Architektur als Kommunikationssystem. Ein McMansion bedient sich gerne der Symbolik. In der Regel sind es Insignien der Macht, manchmal sogar unverblümter Unterdrückung, und gelegentlich sind es bloß harmlose Statussymbole. Man entdeckt an einer McMansion Säulen und weitläufige Veranden, wie sie für die Sklavenplantagen in den Südstaaten typisch waren. Ihre Fassaden sind oft ein Duplikat des Weißen Hauses, während ihre hoch aufragenden Glasarkaden Einkaufszentren der achtziger Jahre nachempfunden sind. Die vergoldeten und verzierten Säulen im Innenbereich sind sowohl von der italienischen Renaissance als auch von Las Vegas inspiriert.

Um die Herrschaftspräsentation noch wirkungsvoller zu machen, werden derlei Symbole vom Maßstab her oft seltsam verzerrt verwendet. Solche Häuser sind schließlich nicht für eine menschliche Körpergröße gestaltet worden, sondern für diejenige ihrer Autos, der omnipräsenten Erweiterung des amerikanischen Körpers. Man fährt an einer McMansion vorbei und jede:r, der aussteigt, soll sich möglichst klein und mickrig fühlen. Eine weitere Methode, mit der McMansions Macht kommunizieren, sind akkumulierte Anzahlen: vier Erker, Garagen für drei Autos, zweistöckige Foyers. Auch die Innenräume sind gewaltig – große Zimmer, Aufenthaltsräume, Gemeinschaftsräume, Schlafräume, Trainingsräume, Bars, sybaritische Badezimmerlandschaften und begehbare Kleiderschränke. All diese Annehmlichkeiten müssen irgendwo untergebracht werden. Daher breiten sich diese Häuser, ähnlich wie ihre vorstädtische Umgebung, weitläufig aus, um zu vermitteln, dass sie den Platz dafür haben.

Hinter dieser Praxis der Akkumulation steckt eine kulturelle Logik. Als die Federal Housing Administration in den dreißiger Jahren Mindeststandards für Wohnraum festlegte, erkannten die Bauträger, dass sie mit jedem Haus, das mehr als das absolute Minimum bot, zusätzlichen Gewinn erzielen konnten. Dank reichlich vorhandener staatlich finanzierter Hypotheken, eines Wirtschaftsbooms nach dem Krieg, einer vorstadtorientierten Stadtentwicklung sowie einer allgemeinen Verbesserungen des Lebensstandards begannen die Amerikaner:innen, Häuser als Kapitalanlage zu betrachten. Man kaufte ein »Einsteigerhaus« und rüstete dann zu einem »Traumhaus« auf oder renovierte sich dorthin. Daraus entstanden immer größer werdende Häuser. Dass dies mit der dauernd weiter steigenden Renditeerwartung von Hypotheken und dem Wettrüsten zusammenfiel, das letztlich zur Großen Rezession führte, hat die McMansion unauslöschlich geprägt. Sie ist ein Sinnbild dafür, es geschafft zu haben, und ein Paradebeispiel für amerikanische Völlerei und Hybris. Trotz der Rezession gibt es die Häuser bis heute, nun auch gern mit pseudo-ländlicher Rustikalität oder sogar totalem Minimalismus.

Die Charakteristika der Orte, an denen McMansions gebaut werden, schaffen eine zusätzliche Ebene von Kontext und Bedeutung. Wenn ein kleines Haus in einem älteren Viertel abgerissen wird und durch ein riesiges Einfamilienhaus ersetzt wird, ist das sowohl ein Triumph als auch eine Warnung. Säumen Dutzende von McMansions die gewundenen Straßen und Sackgassen einer bewachten Wohnanlage, zielt ihre Präsenz auf die ebenso statushungrigen Nachbar:innen ab. Wird eine McMansion auf einem riesigen Stück Land mitten im Nirgendwo gebaut, unterstreicht dies erneut den feudalen Unterton, indem das Anwesen von einer Belagerungsmentalität und Herrschaftsfantasien zeugt. Der bevorzugte Gast solcher Häuser sind die weniger betuchten Freund:innen und Familienmitglieder der Besitzer:innen, denn die fingierte Geselligkeit einer McMansion ist in der Tat zutiefst unsozial. Entfernt von jeglicher Gemeinschaft muss das gesamte Leben im Haus selbst stattfinden. Man sitzt allein in seinem zweistöckigen Foyer wie König Midas, aber hey – zumindest ist es gülden.

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