Text von Adrian Lobe
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Beziehungen sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Die Technik hat sie verändert. Beziehungsdynamiken sind beschleunigt. Zeitgleich sind Beziehungen brüchiger geworden. Wie konnte das nur passieren? Und was haben wir dadurch gewonnen? Es ist Zeit für einen Rückblick in die Anfänge der Sofortkommunikation.
Es begann in den neunziger Jahren. Der »Tatort«-Fernsehonkel Manfred Krug warb für die T-Aktie, man sprach von neuen Märkten und Möglichkeiten, und in den Wohnstuben der Republik stand eine pralinenschachtelgroße Box, die das Tor zur neuen Welt öffnete: das Modem. Mit einem schrillen Einwahlgeräusch wählte man sich über die Telefonleitung – ISDN gab es ja noch nicht – ins World Wide Web ein, es knarzte und krächzte in der Leitung, und dann war man drin, wie Boris Becker in der legendären AOL-Werbung sagte. Das Internet war lahm wie eine Schnecke und nicht mehr als ein aufgemotzter Bildschirmtext, aber für einen Digital Native wie mich war es eine Verheißung. Ein Möglichkeitsraum, den man neu bespielen konnte. Man fütterte den Computer mit AOL-CDs, um noch ein paar Gratisminuten mehr rauszuholen, und dann ging der Spaß los: surfen, chatten, Musik herunterladen. Nach der Schule warf man seinen Eastpak-Rucksack in die Ecke, fuhr den PC hoch und klickte auf eine grüne Blume: ICQ. Der Instant-Messenger war das Kommunikationsmittel unserer Zeit. Wir hatten noch keine Handynummer, aber dafür eine ICQ-Nummer, die man Leuten mit Kugelschreiber auf den Arm kritzelte, damit man »geaddet«, also in der Freundesliste hinzugefügt wurde. Viele kennen ihre ICQ-Nummer noch immer auswendig. Stundenlang harrte man vor dem Bildschirm aus und wartete, bis der Schwarm online ging und die Blume von rot auf grün wechselte. Wenn dieses teletubbiehafte Uh-Oh-Geräusch aus den Lautsprecherboxen ertönte und eine neue Nachricht signalisierte, war man in Habachtstellung.